Architektur transdisziplinär
.
Lehrziel:
Die Vortragsreihe Architektur transdisziplinär wird weit 2004 jedes Jahr von meiner Kollegin DI Mariela Dittrich und mir angeboten. Ziel der Vortragsreihe ist es, den Weitblick und das Selbstverständnis der Studierenden zu fördern, um eingefahrene Muster innerhalb der eigenen Disziplin zu hinterfragen und sich über die vermeintlich sicheren Grenzen eines klar definierten wissenschaftlichen Bereiches hinauszuwagen.
Die immer komplexer werdenden Zusammenhänge im Architekturgeschehen zwingen vermehrt zu einem vernetzten, interdisziplinären Arbeiten. In der Lehrveranstaltung wird der Dialog über die Architekturdisziplin hinaus geöffnet und Perspektiven aufgezeigt, die dem geänderten Berufsbild des Architekten/der Architektin gerecht werden. So wird nicht nur ein realistisches, praxisbezogenes Bild des ArchitektInnenalltags aufgezeigt, sondern es werden Alternativen und Lösungen vermittelt, die Mut machen, die eigenen Horizonte in diverse Richtungen zu erweitern.
Transdisziplinäres Arbeiten bedeutet, mit unterschiedlichen Fachbereichen, aber auch mit nicht-wissenschaftlichen AkteurInnen, zu kommunizieren, methodische Herangehensweisen zu vergleichen und Erkenntnisse auszutauschen. Eine kritische Reflexion der eigenen Arbeitsweise im transdisziplinären Kontext kann Fragen aufwerfen, die sich aus der eigenen Perspektive heraus gar nicht stellen würden. D.h. es geht nicht nur darum, eigene Erkenntnisse zu vertiefen, sondern Sichtweisen zu erschließen, die völlig neue Ergebnisse hervorbringen können. Neben der profunden Kenntnis der eigenen Disziplin bedarf es dazu einer gewissen Offenheit nach außen, die nicht immer selbstverständlich ist, sondern bewusst formuliert und gefördert werden muss.
Ziel der Lehrveranstaltung ist es, kreativen Ideen zum Berufsbild des Architekten/der Architektin auf die Sprünge zu helfen zündenden Ideen, Geschäftsideen, Produktideen, Entwurfsideen Ideen, die das Potential haben für Innovation, für geistige Purzelbäume, für die Freiheit, sich über disziplinäre Grenzen hinweg zu setzen und unbekanntes Terrain zu beschreiten.
Lehrinhalt:
In Form einer Vortragsreihe werden verschiedene ProfessionistInnen eingeladen, die transdisziplinär arbeiten und denen es gelungen ist, ihre persönlichen Neigungen mit ihrer Leidenschaft für Architektur zu verbinden. Während die einen aus der Praxis plaudern und ihren Werdegang und Berufsalltag schildern, befassen sich andere auf wissenschaftlicher oder künstlerischer Ebene mit den diversen Berührungspunkten von Architektur und anderen Disziplinen.
Die Planung und Realsierung von Architektur hat gesellschaftliche Auswirkungen, die weit über die reine Gestaltung der gebauten Umwelt hinausgehen. Es reicht nicht, Antworten nur innerhalb der Architektur-Disziplin zu suchen. Die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften, die Rechtswissenschaften, die Medizin sowie künstlerische Disziplinen müssen kontaktiert werden, um adäquate Lösungen zu finden. In der Architektur ist darüber hinaus die funktionierende Kommunikation mit den Bauherren, Baufachleuten und Handwerkern ein wesentlicher Einflussfaktor für das Gelingen eines Projekts. Die Entscheidungsunsicherheit basiert hier häufig auf nicht-wissenschaftlichen Faktoren wie der Einbeziehung der menschlichen Dimension beruhend auf sozio-kulturellen Grundlagen, Wahrnehmungen, Ideologien und Vorlieben. Dieser komplexen Beziehung aus Mensch-Umwelt-Gesellschaft kann in der gesellschaftlichen Praxis nur in direkten und persönlichen Interaktionsprozessen begegnet werden.
Natürlich sind der transdisziplinären Interaktion auch Grenzen gesetzt. Wenn ein gewisses Vorverständnis fehlt, kann es bereits als unüberwindbares Hindernis erscheinen, ein verständliches Vokabular bzw. eine gemeinsame Sprache zu finden, auf deren Basis man aufbauen kann. Das heißt aber nicht, dass es nicht möglich ist, bestehende Hierarchiemodelle zu überwinden, Vorurteile abzubauen und sich transdisziplinäre Kompetenzen anzueignen. Eine gewisse Offenheit ist die Voraussetzung. Diese Fähigkeit, sich auf disziplinfremde Kontexte einzulassen und eine anfängliche Scheu zu überwinden, sollte in dieser Vortragsreihe vermittelt werden. Eine gewisse Offenheit soll gefördert und Möglichkeiten aufzuzeigt werden, um miteinander in Beziehung zu treten.
So wie ein Orchester aus vielen Instrumenten besteht, die alle ihren eigenen, individuellen Teil der Partitur übernehmen, ist es das harmonische Zusammenspiel und das `Aufeinander-Hören´, das ein Werk erst in seiner vollen Kraft zur Geltung bringt. Das `Sich-Zusammenspielen´ als Prozess ist Teil des Erfolgs. Wer die Grenzen seiner Disziplin hinter sich lässt, begibt sich auf unsicheres Terrain. Das erfordert Mut zur Improvisation, ist aber gleichzeitig ein essenzieller Schritt in Richtung Innovation.
Bisherige Vortragsthemen :
ARCHITEKTUR UND Tanz, Soziologie, Film, Fotografie, Marketing, Musik, Journalismus, Wirtschaft, Archäologie, Ethnologie, Gender, Malerei, Theologie, Bühnenbild, Bionik, Neue Medien, Design, Medizin, Public Relations, Naturwissenschaft, Bekleidung, Handwerk, Hotel-Design, Theologie, Kunst, Politik, Psychodynamik, Bauforschung, Vermessungstechnik, 3D-Laserscanning, Bildung, Tourismus, Vermittlung, Stadtplanung, Dokumentation, Klang, Kunstgeschichte, Social Art, Energie, ältere Menschen, integrale Planung, Feldforschung, Militär, Psychologie, Akustik, Berufsbild Architektur, Branding, urbaner Raum.
Sammelpublikationen,
die aus der Lehrveranstaltung hervorgegangen sind:
Rieger-Jandl, Andrea und Dittrich, Mariela (Hg.), 2008: Architektur transdisziplinär, Band 1, IVA-Verlag, Wien
Dittrich, Mariela und Rieger-Jandl, Andrea (Hg.) 2016: Architektur transdisziplinär, Band 2, IVA-Verlag, Wien