Solar Town Ladakh
Solar Town Ladakh

Projektleitung: DI Dr. Andrea Rieger-Jandl, Ao. Univ. Prof. DI Dr. Erich Lehner, DI Dr. Karin Stieldorf
Partner: Ladakh Ecological Development Group (LEDeG); Ladakh Environment and Health Organization (LEHO); Sanjay Prakash Architectural Practice, Delhi; Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien
Projektform: Feldforschung, Exkursion, Entwerfen
Laufzeit: 2000 – 2003
Link: https://www.tuwien.ac.at/aktuelles/news_detail/article/3142/
Ausstellungen: Himalayan Future: Land, Mensch, Architektur im Haus der Architektur in Klagenfurt (Juli 2002) und im Regierungsviertel in St. Pölten (April 2003)
Ausstellungskatalog: Institut für Baukunst, Bauaufnahmen und Architekturtheorie; Institut für Hochbau für Architekten (Hg.), 2002: Himalayan Future, Land-Mensch-Architektur, Wien

Das Projekt “Solar Town” beschäftigt sich mit Konzeptionen, Technologietransfer und Implementierungsvorschlägen für eine Solarsiedlung in Ladakh (Jammu und Kashmir, Indien). Der Aufbau auf lokale Bautraditionen bzw. die Verwendung des lokalen Baustoffs Lehm steht im Zentrum der Forschungs- und Entwurfstätigkeit.

Situation in Ladakh

Ladakh ist eine Region im östlichen Teil des nord-indischen Bundesstaates Jammu & Kashmir und liegt eingebettet zwischen dem Himalaja- und dem Karakorum-Gebirge. Ladakh ist eines der höchst gelegenen bewohnten Gebiete der Erde, bereits die Hauptstadt Leh liegt auf 3.500 m Höhe. Von den ca. 160 000 Einwohnern leben ca. 23.000 in der Hauptstadt. Zwei Ereignisse haben die Öffnung Ladakhs gegenüber dem restlichen Indien und der westlichen Welt wesentlich forciert: die Auseinandersetzungen zwischen Indien und Pakistan seit der indischen Unabhängigkeit im Jahre 1947 und die Öffnung des Landes für den Tourismus im Jahre 1974. Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen entsandte Indien eine große Zahl von Soldaten in die Region, die Entwicklung des Landes wurde bewusst gefördert und neue Verwaltungsstellen eingerichtet. Dadurch, und durch die ca. 12.000 Touristen pro Jahr, ergaben sich für die Einwohner Ladakhs lukrative Verdienstmöglichkeiten in der Hauptstadt, die Geldwirtschaft gewann rasch an Bedeutung, und während der letzten 25 Jahren hat sich die Einwohnerzahl der Hauptstadt vervierfacht.
Die Stadtplanung von Leh ist völlig außer Kontrolle geraten und es bildeten sich an den Stadträndern eine Vielzahl von Slum-artigen Siedlungen, deren Infrastruktur auf das nötigste beschränkt bzw. überhaupt nicht vorhanden ist. Die Energieversorgung – sowohl mit elektrischem Strom als auch mit Wärme – ist neben der Wasserversorgung das größte Problem. Hier ist in Ladakh vor allem eine Lösung naheliegend: Solarenergie. Leh hat mit 320 Sonnentagen im Jahr und einer durchschnittlichen täglichen Strahlungsenergie von 5530 Whr/m2 die idealen Voraussetzungen für solare Energienutzung. Die traditionelle Bauweise aus Lehmziegeln, die auch heute noch am weitesten verbreitet ist, trägt ihrerseits zu einer erfolgreichen Umsetzung von solaren Baukonzepten bei.
Seit den 70er Jahren bemühen sich einige in- und ausländische NGOs die Sonnenenergie in dieser Region zu nutzen. Sehr oft scheiterten diese Versuche nicht an den finanziellen Mittel oder am technischen Know-How, sondern am fehlenden Feingefühl für die traditionelle Lebensweise und damit an der geringen Akzeptanz seitens der Bevölkerung. Vor allem bei öffentlichen Bauvorhaben hat es sich gezeigt, dass die indische Regierung in keiner Hinsicht auf die Bedürfnisse und Wünsche der ladakhischen Bevölkerung und deren Lebensweise eingeht. Eine Unterstützung durch Ethnologen und Soziologen ist daher unbedingt wünschenswert, da nur durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit die notwendigen Schritte für eine erfolgreiche Implementierung gesetzt werden können.
Eine große Chance in diese Richtung bietet das Solar-Projekt „Solar Town“, das derzeit in Ladakh vieldiskutiert wird und dringend ausländischer Unterstützung bedarf.

Das Projekt

Das Projekt “Nima Ling” (Nima = Sonne, Ling = Hochebene), eine “Solar Town” für insgesamt ca. 5000 Einwohner, sollte an einem 9 km außerhalb der ladakhischen Hauptstadt Leh gelegenen Bauplatz von 68,5 ha Größe verwirklicht werden.

Zukünftige BewohnerInnen der Solar Town werden sich sowohl aus tibetischen Flüchtlingen als auch aus Ladakhis zusammensetzen, die von den Dörfern in die Hauptstadt ziehen um dort Arbeit zu suchen. Das Grundkonzept der “Solar Town” sieht den Hausbau durch die Besitzer selbst vor. Wie eine vorangehende ethnologische Feldstudie vor Ort aufzeigte, ist die Zufriedenheit der Bewohner selbstgebauter Siedlungshäuser wesentlich höher als in den von der Regierung zur Verfügung gestellten Wohnanlagen. Gewisse Vorgaben, Einschränkungen, infrastrukturelle und organisatorische Maßnahmen sollten die Lebensqualität der “Solar Town” jedoch gegenüber den vielen in den letzten Jahren entstandenen Housing Colonies in großem Maße anheben.

Als erste und wichtigste Baumaßnahme wird ein sogenanntes Building- and Energy Center vorgesehen, welches das Zentrum der “Solar Town” bildet und den zukünftigen BewohnerInnen nicht nur solare Maßnahmen, angepasste Bautechniken sowie innovative Einsazmöglichkeiten des Baustoffes Lehm in Form von Musterhäusern vor Augen führt, sondern auch als ein Platz für Informationsaustausch, für Schulungen und Seminare, für die Ausbildung von Bauarbeitern, sowie als Koordinationsstelle für Siedlungsvertreter und Vergabestelle für Förderungen und Mikrokredite dient. Hierbei spielen sowohl technische als auch ethnologische, soziale und ökonomische Fragestellungen eine entscheidende Rolle.

English summary:

Ladakhi architecture is unique in every sense. Monasteries, prayer walls, chorten, palaces and fortress-like farm houses are an integral part of the Ladakhi landscape, and these buildings are filled with spiritual power, myths and symbolic expression. Quite some research has been going on regarding the traditional forms of building – but what about the architecture of today? What about the massive housing problems that have occurred all around the capital Leh during the last decades? Is this just “cultural decline” not worth taking a glance at? It has to be worth it since otherwise the problem of massive urban growth tends to get out of control. The population of Leh has exploded over the last 30 years and an exuberant and unorganized growth of housing colonies has occurred. Constant shortage of water, lack of sewage systems and waste disposals and unstable electricity are only a few of the severe problems these regions are confronted with.

The autonomous Ladakhi government with the help of NGOs has now taken an initiative to react and to start a sample project, trying to establish a colony in a more organized and ecologically balanced way. A site was found about 9 km south of Leh which provides enough room to settle up to 5.000 people. Delhi based architect and solar expert Sanjay Prakash developed a master plan for the so called “Nima Ling” (nima = sun, ling = plain) or “Solar Town”. Based on this master plan LEDeG (Ladakh Environmental Development Group) was looking for partners to deliver new ideas, improved technology and energy sufficient solutions for a better and more sustainable future development in housing – reason enough to initiate a student-design-project.

The Institute for the History of Architecture and Building Survey initiated a two-weeks excursion to Ladakh, and 17 students from the architecture faculty of the Technical University of Vienna together with 3 students from the anthropology department of the Vienna University tried to get an insight into the housing situation. Based on this, and based on an anthropological pre-design study undertaken during a two months research period in summer 2000 in the course of my dissertation project, the students developed creative ideas and suggested planning guidelines for the new project.

The focus point of the design project was not only the integration of environmental considerations and technical solutions, but also and especially of socio-cultural aspects that gain more and more importance in an increasingly complex cultural surrounding. Ladakh is only one significant example representative for various regions, where recent developments have revolutionized the existing political, economic, social and spiritual structure of society. Ladakh has entered a severe crisis in its search for a new, progress-oriented identity. This confusion is also perceptible in the built environment, and money, time and efforts have been wasted on the implementation of building projects based on fundamentally erroneous assumptions.

Planning strategies still put an overemphasis on the utilitarian dimension, namely, of economic and technological advances, whereas it is overdue to put more weight on the cultural, aesthetic and spiritual dimension to gain basic acceptance among the people. However, this is a dimension which is much harder to capture than technical certainties, and the simple ”add-culture-and-stir”-approach has caused more trouble than good.

Of course it was also an important task of the design project to search for technical solutions that  are environmentally sound, readily available and easy to implement. Since the solar radiation in Ladakh is particularly intense there is a high potential to make use out of the sun´s energy. In this regard the students did not only create ideas but also simulated their designs on the computer in order to find the most energy-efficient solutions.

Since we are acting in a global network it is now overdue that also the teaching subject puts two relevant issues on the agenda: transnationality and interdisciplinarity. Both can still hardly be found on the architectural curriculum. In our student design project we tried to integrate these issues by working together with anthropologists and by placing the design task into a culturally unknown terrain. Regarding this it was necessary to view the design issues under a wider perspective and to go all the way back to basic questions of architecture. There is no global truth in how to approach the difficult task of dealing with the human being in its cultural, social, spiritual and ideological context. However, it is important to strongly increase the attention paid to this matter in order to gain more adequate and sustainable planning results. In their designs it was not possible for the students to deal with every single one of the subjects that would create good contemporary living in Ladakh. But many ideas were reflected in completely different project approaches and in combination the results are very promising.

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