Titelfoto
Lehm-Skulptur

Projektkoordination: Ao.Univ. Prof. DI Dr. Andrea Rieger-Jandl
Baustellen-Leitung: DI Christoph Lachberger, DI David Kraler
Entwurf: Denise Kiessling
Team: DI Ferenc Zamolyi, Denise Kiessling, Aaron Merdinger
Projektform: Design/Build, Lehmbauworkshop mit Studierenden
Projektpartner: Waldökozentrum Sopron
Dauer: März – Juni 2015

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Am Gelände eines Jugend- und Waldökozentrums nahe Sopron in Ungarn wurde im Zuge eines Design/Build Workshops eine Lehmskulptur errichtet, die als Aufenthaltsort für Jugendliche und als Tribüne für den angrenzenden Fußballplatz dient. Ziel war es, die drei Massivlehmtechniken Stampflehm, Wellerlehm und Lehmziegel in der Skulptur vergleichend gegenüberzustellen.

Um die Arbeitsvorgänge der drei wichtigsten Massiv-Lehmbautechniken vergleichend gegenüberstellen zu können, wurden im Zuge des 1:1 Lehmbau-Workshops drei Lehmwände errichtet: eine Lehmziegelwand, eine Wellerwand sowie eine Stampflehmwand. Die drei Wände sind so miteinander in Beziehung gesetzt, dass sie eine Sitzskulptur ergeben, welche gleichzeitig als Tribüne für einen Fußballplatz dient. Die Sitzskulptur hat sich rasch zu einem beliebten Aufenthaltsort für Jugendliche entwickelt.

Wenn man die Arbeitsprozesse bei der Errichtung der drei Wände vergleicht, so hat jede Lehmbautechnik ihre Vor- und Nachteile. Da sämtliche Arbeiten ohne Einsatz maschineller Hilfsmittel durchgeführt wurden, nahm das Mischen des Materials einen erheblichen Anteil am Arbeitsaufwand ein. Hier bietet der Stampflehm einen gewissen Vorteil. Das Material besteht aus erdfeuchtem Lehm und Schotter (Verhältnis ca. 1:2), d.h. das Material ist beim Mischen im Vergleich zur Ziegel- bzw. Wellermischung relativ trocken und daher leichter zu verarbeiten. Allerdings stellt beim Stampflehm die Errichtung einer stabilen Schalung einen erheblichen konstruktiven Aufwand dar. Der Druck, der durch das Stampfen auf die Schalung ausgeübt wird, ist enorm, weshalb die Schalung beim Workshop auch während des Stampfens immer wieder verstärkt und stabilisiert werden musste. Das Einfüllen des Materials und das Stampfen selbst ist eine kräfteraubende Arbeit. Wenn allerdings genügend Leute zur Verfügung stehen, die sich abwechseln können, geht der eigentliche Stampfprozess vergleichsweise zügig voran. Das Ausschalen und die Freude über das besondere ästhetische Erscheinungsbild einer Stampflehmwand stellen auf jedem Workshop einen Höhepunkt dar. Ein Nachteil ist, dass sich auftretende (Wasser)Schäden nur sehr schwer sanieren lassen, ohne das Erscheinungsbild zu beeinträchtigen.

Für die Herstellung der Wellerwand war es notwendig, sehr viel Stroh (ca. 25 kg/m3) in eine gemaukte, zähe Lehmmasse einzuarbeiten. Das Mischen erfolgt am besten auf einer Plane, wobei die Masse mit Hilfe der Plane immer wieder zusammengerollt und dann in mühevoller Beinarbeit wieder breitgetreten wurde. Dieser Vorgang musste mindestens 10mal wiederholt werden, bis das Stroh gleichmäßig eingearbeitet war. Sowohl das Mischen als auch das Aufbringen und Verdichten (mit den Fingern bzw. mithilfe eines Weller- bzw. Cob-Holzes) des Materials ist ein sehr kraftraubender Prozess. Während die Stampflehmtechnik ein genau einzuhaltendes Mischungsverhältnis sowie komplexe Arbeitsschritte in Bezug auf die Schalung verlangt, gestaltet sich der gesamte Arbeitsprozess bei der Wellertechnik sehr viel einfacher und die Technik ist kaum fehleranfällig. Ein Vorteil der Stampflehmwand ist, dass sie ohne Probleme bis zu einer Höhe von mind. 2 m durchgestampft werden kann, wobei sich die Wellerwand maximal bis zu einer Höhe von 60 cm aufbauen lässt, bevor eine 2-3wöchige Trocknungsphase eingeplant werden muss. Die Wellerwand erwies sich längerfristig als extrem stabil und witterungsbeständig und das Erscheinungsbild hat sich über die Jahre kaum verändert.

Für die Herstellung der Lehmziegel wurde ein stabiles, 3teiliges Holzmodel mit seitlichen Haltegriffen hergestellt. Einen beträchtlichen Arbeitsaufwand stellte wiederum das Vermischen des gemaukten Lehms mit dem Sand dar, der zum Abmagern eingearbeitet werden musste. Anhand der Herstellung mehrerer Probeziegel wurde der Sandanteil so gewählt, dass sich die Ziegel leicht aus der Form lösten, beim Austrocknen keine Risse bildeten, aber noch genügend Bindekraft des Tons vorhanden war, um die entsprechende Druckfestigkeit zu erreichen. Die zähe Lehmmasse wurde mit Kraft in die Form geworfen, die obere Schicht abgezogen und das Model sofort entfernt. Danach musste eine Trocknungszeit von einer Woche eingeplant werden, bis die Ziegel vermauert werden konnten. Der Lehmmörtel zum Versetzen der Ziegel weist das gleiche Mischungsverhältnis wie das der Lehmziegel auf, wobei die Konsistenz durch den Wassergehalt je nach Bedarf angepasst werden kann. Mit etwas Übung ist das Vermauern der Ziegel ein einfacher Arbeitsvorgang. Sind die Arbeitsprozesse innerhalb der Teams einmal optimiert, lässt sich die Lehmziegelwand im Vergleich zur Stampflehm- oder Wellerwand relativ einfach und mit vergleichsweise geringem körperlichem Aufwand errichten. Obwohl es in der Praxis unüblich ist, wurde die im Workshop errichtete Lehmziegelwand bewusst unverputzt belassen, um einen Vergleich mit den anderen Wänden herstellen zu können. Interessant ist, dass auch die Lehmziegelwand nach mehreren Jahren kaum Abwitterungserscheinungen aufweist, sondern bislang nur leichte Fugenauswaschungen zu beobachten sind.

Es ist interessant zu beobachten, dass es meist ein paar Tage braucht, bis sich die Arbeitsabläufe innerhalb der Gruppen automatisch soweit optimieren, dass mit geringstmöglichem Aufwand ein bestmöglichstes Ergebnis erzielt werden kann. Auch wird schnell klar, dass der Lehmbau – vor allem wenn kaum technische Hilfsmittel erlaubt sind – körperlich extrem anstrengend und daher am besten durch das Zusammenhelfen vieler Arbeitskräfte zu bewältigen ist, die sich abwechseln. Die Abhängigkeit von der Witterung ist vor allem in gemäßigten Klimazonen ein Nachteil, und auch während der Workshops wurde viel Zeit mit dem Abdecken der Wände und dem Abwarten von Regengüssen verbracht. Hier hat die Lehmziegelbauweise einen entscheidenden Vorteil gegenüber den anderen Bautechniken. Eine geringe überdachte Fläche genügt, um die Lehmziegel bei jeder Witterung herstellen und im gestapelten Zustand lagern zu können, und auch beim Aufbau der Wand ist man nicht von langen Schönwetter- bzw. Trocknungsperioden abhängig. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich in quasi allen mitteleuropäischen Ländern im Laufe des 19. Jahrhunderts die Lehmziegelbauweise gegenüber anderen Lehmbautechniken durchgesetzt hat.

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